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AutorenbildJoerg Nicht

2017 Best Nine


Zum Jahreswechsel haben wieder viele Instagrammer ihre Best Nine-Collagen gepostet: eine Auswahl ihrer neun erfolgreichsten Bilder des vergangenen Jahres. Auch ich habe ich mir meine „besten Neun“ aus dem Jahr 2017 angeschaut. Erfolg wird dabei gemessen an den Like-Zahlen, ist also quantitativ bestimmt. Über Qualität im engeren Sinne sagt die Fotoauswahl nichts aus. Lassen sich trotzdem daran Trends erkennen? Ich meine, ein Blick auf meine Top 9 zeigt ein paar Auffälligkeiten. Nicht zu übersehen: Während 2016 nur eines meiner Fotos nicht aus Deutschland stammte, sind es 2017 sechs.

Wo ist der Fernsehturm?

Dass ich nur zwei meiner am meisten gelikten Fotos in Berlin aufgenommen habe, ist vielleicht nicht ganz überraschend. Denn ich war viel unterwegs und habe vergleichsweise wenig Berlin-Fotos gepostet. Es kann freilich auch heißen, dass Berlin-Motive auf meinem Account nicht mehr so angesagt sind. Was mich persönlich überrascht hat: Der Fernsehturm, der alte Like-Garant, ist nicht dabei. Auch der Berliner Dom hat es nicht in die Top 9 geschafft, er liegt auf Platz 10. Stattdessen ist ein Look up dabei aus dem Stadtbad Lichtenberg, das schon seit den 1990er Jahren geschlossen ist (Platz 9).

Look up - Stadtbad Berlin Lichtenberg

Platz 9: Look up / Stadtbad Lichtenberg, Berlin

Und ein Berliner Hinterhof, wie er vor 25 Jahren typisch war für Berlin, heute aber (fast) nur noch in der Rosenthaler Straße zu finden ist. Wenn ich die Kommentare und die Besucher richtig verstehe, ist dieser Ort ein beliebter Touristenspot, der nostalgische Gefühle weckt. Lange Zeit habe ich dort die vorbeifahrende Straßenbahn fotografiert, die man mit der Tordurchfahrt rahmen kann. Die umgekehrte Perspektive bescherte dem Motiv auf meiner Liste den 8. Platz.

Backyard Berlin

Platz 8: Hinterhof / Haus Schwarzenberg, Berlin

Spieglein, Spieglein auf der Straße

Spiegelungen gehen immer, könnte man sagen. Unangefochten auf Platz 1 die Spiegelung einer Straßenbahn, die um die Kurve gefahren kommt – ein sehr bekanntes Motiv aus Lissabon.

Tram Lissabon

Platz 1: Reflexion, Lissabon

Die zweite Spiegelung, Platz 6, habe ich in Loket aufgenommen, einer Kleinstadt im tschechischen Bäderdreieck, die einst auch Goethe fasziniert hat. Kleine, bunte Häuschen sind dort zu finden. Die Stadt wird spektakulär umschlossen von einem Fluss.

Loket

Platz 6: Spiegelung, Loket

Schneeflöckchen, Weißröckchen, wann kommst du geschneit?

Drei der am meist gelikten Bilder sind Schneebilder: neben dem Hinterhof und der Loket-Spiegelung gehört auch der zugefrorene Fluss in Karlovy Vary dazu (Platz 5). Vielleicht fasziniert die Menschen, dass ein Motiv durch Schnee gleich anders aussieht. Nicht ohne Grund montieren viele Instagrammer Schneeflocken in ihre Bilder, um eine romantische Stimmung zu erzeugen. Der künstliche Schnee sieht auch noch besser aus als der echte, zumindest in den Augen mancher Betrachter. Angemerkt sei, dass ich zwei der Schneefotos in meiner Jahresendserie gepostet habe. Diese Serie bekommt für gewöhnlich viele Likes, weil zwischen Weihnachten und Neujahr einfach mehr Follower als sonst auf Instagram aktiv sind.

Karlovy Vary

Platz 5: Schnee! Karlovy Vary

Schau einfach!

Ein Trend, der sich auch in diesem Jahr fortgesetzt hat, ist die einfache Gestaltung eines Fotos. Zentralperspektive und wenige Bildelemente sind hier die Stichworte. Die besten Beispiele sind die Look ups aus Hamburg (Platz 2) und Berlin (Platz 9).

Look up! Hamburg

Platz 2: Look up! Hamburg

Aber auch ein Sunday Car-Pic aus Portugal mit einem alten VW-Bus folgt dieser Regel: wenige Farben, einfache Struktur. Wenn eine Straße eine leichte Kurve macht, schadet es auch nicht, wie die vielen Gassenfotos auf Instagram zeigen.

A Sunday Car Pic

Platz 3: A Sunday Car Pic, Portugal

Du hast den Farbfilm vergessen

Instagram hatte von Anfang an den Ruf, eine Filter-App zu sein. Dieses Stigma wohl die Plattform wohl nicht mehr los. Waren es am Anfang die hauseigenen Filter, die den typischen Instagram-Look ausmachten, so sind es heute „Presets“ genannte Filter, die man zu einem Sonderpreis von bestimmten Instagrammern kaufen kann. Ein schöner Sommernachmittag mit ein paar Wolken kann dadurch schnell zu einem apokalyptischen Szenario werden. Letztlich dienen die Farbveränderungen auch der Vereinfachung – es geht darum, Komplexität zu reduzieren. In meinen Fotos habe ich Gelb- und Orangetöne betont. Die Straßenbahn bzw. Bergbahn in Lissabon passt dazu ideal, weil sie bereits gelb ist und nicht extra umgefärbt werden muss. Das Foto auf dem 4. Platz – ein typisches Postkartenmotiv aus der portugiesischen Hauptstadt – steht dafür paradigmatisch. Es ist aber auch eines der wenigen Fotos, bei dem ich ein leichtes Teleobjektiv eingesetzt habe. Vielleicht war das die Überraschung, die zu den vielen Likes beigetragen hat?

Tram, Lissabon

Platz 4: Tram, Lissabon

Ein Farbspektakel in anderen Tönen habe ich auf Kuba erlebt. Die Fassade eines Art Nouveau-Gebäudes hat es in die Spitzengruppe geschafft (Platz 7).

Fassade

Platz 7: Fassade, Havanna

Die Kamera macht’s (nicht)

In diesem Jahr habe ich mit vier verschiedenen Kameras gearbeitet und mit sechs verschiedenen Smartphones. Trotz dieser Vielfalt sind unter den „Best Nine“ drei Fotos, die ich mit iPhones (6S Plus und 7 Plus) aufgenommen habe: die beiden Spiegelungen und der Bulli. Bis auf das Hinterhofbild, das mit einer Lumix GX8 gemacht ist, sind alle anderen Fotos mit einer Lumix GH5 entstanden. So gesehen, scheint die Größe des Sensors oder des Fotoapparates nicht allein für den Erfolg eines Bildes verantwortlich zu sein.

Chancengleichheit?

Was lässt sich aus der Auswahl von Fotos mit den meisten Likes herauslesen? Nach wie vor gilt, dass nicht alle Bilder die gleichen Startbedingungen haben. Ein Foto, das während der Sommermonate gepostet wurde, hat meist schlechtere Chancen wahrgenommen zu werden, weil weniger Personen in diesem Zeitraum online sind. Außerdem hat derjenige, der ein Bild postet, selbst keinen Einfluss darauf, welche seiner Follower ein Foto zeitnah angezeigt bekommen. Hier greift der Algorithmus ein, dessen Funktionsweise uns weitgehend verborgen bleibt. Aus meiner Sicht wird Instagram dadurch zu einem Glücksspiel. Das dürfte auch so manchen Nutzer dazu verleiten, Likes und Follower zu kaufen.

Hinweis: Einige Bilder wurden für den Artikel im Format verändert.

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