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  • AutorenbildJoerg Nicht

Hängt eure Fernseher hochkant auf!


Instagram hat das quadratische Format (wieder) populär gemacht. Ich weiß nicht, ob ich vor dem Jahr 2010 je ein Foto quadratisch beschnitten habe. Quadratische Fotos fanden sich bis dahin in den Fotoalben meiner Eltern. Die Fotos waren mit Apparaten gemacht, die Rollfilme nutzten. Dass die Macher von Hipstamatic oder Instagram auf das quadratische Format zurückgriffen, zeugte davon, dass sie die Fotogeschichte kannten und einen Bezug zu ihr herstellten.

Die Macher von Instagram waren aber schlau genug zu erkennen, dass man ein Smartphone hochkant hält und Bilder im Hochformat wesentlich präsenter wirken, weil sie mehr Fläche vom kleinen Bildschirm nutzen. Snapchat hat von Anfang an auf das Hochformat gesetzt. Als Instagram im Sommer 2016 die Stories-Funktion implementierte, setzte man ebenfalls auf das Hochformat.

Jetzt wird also ein neues Videoformat unter dem Dach von Instagram eingeführt: IGTV. Die Beiträge können bis zu 60 Minuten lang sein und verschwinden auch nicht nach einem Tag. Was das Fernsehen für Jugendliche war, bis YouTube aufkam und Leitmedium für das Bewegtbild wurde, soll nun das Instagram-Angebot werden: das Medium, mit dem Bewegtinhalte produziert und konsumiert werden.

Der große Schritt vom Fernsehen zu YouTube schien zunächst darin zu bestehen, dass man Inhalte nicht mehr bloß konsumieren, sondern eben auch produzieren und hochladen konnte. Jeder war damit ein potentieller Prosumer, also Konsument und Produzent in einer Person. Im Prinzip mag das immer noch so sein. Schaut man sich aber die großen, erfolgreichen Kanäle auf YouTube an, so werden sie längst von kleinen oder größeren Produktionsstudios beliefert. Wahrscheinlich werden auch auf IGTV diejenigen Accounts erfolgreich sein, die über eine entsprechende Infrastruktur verfügen.

Fernsehen und YouTube nutzen das Querformat (Landscape) bei der Wiedergabe. IGTV bricht mit dieser Konvention und setzt auf das Hochformat (Portrait). „IGTV is different in a few ways. First, it’s built for how you actually use your phone, so videos are full screen and vertical…“ Inhalte werden auf dem Smartphone überwiegend im Hochformat angeschaut. Ich beobachte mich, wie ich, um ein kurzes Video auf YouTube anzuschauen, den Bildschirm nicht erst ins Querformat drehe, sondern ihn weiter im Hochformat halte.

Zu erwarten ist, dass auch künftig Smartphone-Inhalte hochkant konsumiert werden. Insofern ist die Entscheidung von Instagram konsequent. Doch was bedeutet das? Vor allem Produzenten müssen ihre Bildproduktion umstellen auf das Hochformat. Dabei werden Geschichten im Hochformat anders erzählt: links und rechts von einer Person ist nicht viel Platz, dafür unten und oben. Will man eine Gruppe von Menschen darstellen, die miteinander sprechen, muss die Kamera Abstand nehmen mit der Folge, dass die Personen nicht mehr gut zu erkennen sind. Vielleicht ist aber das Medium auch für einzelne Personen gemacht, die direkt in die Kamera sprechen. Das Medium neigt zum Monologisieren.

Beliebtes monologisieren auf IGTV

Einen Monolog zu führen, kann auf IGTV sicher nicht schaden. Ein bisschen nackte Haut auch nicht.

Ein Beispiel: In einer National Geographic-Reportage, die ca. 40 Minuten läuft, sind häufig Personen formatfüllend zu sehen, die etwas erläutern. Dazwischen sind Landschaftsaufnahmen bzw. Aufnahmen von der Zerstörung der Erde geschnitten. Aus meiner Sicht fehlt diesen Aufnahmen links und rechts etwas. Ich bin mir nicht sicher, ob ein vorhandenes Video einfach anders beschnitten wurde. In den meisten Fällen kann man nicht einfach ein im Querformat gefilmtes Video beschneiden (croppen). Vielmehr scheint es notwendig zu sein, dass viele Filme in Hochkant gefilmt werden. Die Wiedergabe auf Fernsehgeräten und Computermonitoren ist dadurch erschwert. Vielleicht setzt sich das Hochformat aber auch auf Fernsehern durch? Oder es wird zum Standard, dass Monitore leicht drehbar sind, um sie an das Wiedergabeformat anzupassen?

Ein Problem wird durch IGTV weiter verschärft: Instagram wird in der Handhabung immer komplexer. Und der Platz für einzelne Button, die auf dem Bildschirm unterzubringen sind, wird nicht größer.

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