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  • AutorenbildJoerg Nicht

Stadtbilder – Andreas Feiningers Fotografien aus dem New York der 1940er Jahre

Aktualisiert: 15. März 2023

Die weltberühmte Skyline bei Nacht, imposante Wolkenkratzer, Hochbahnen und Brücken: Man erkennt New York sofort, auch wenn man noch niemals dort war. Die Fotos stammen von Andreas Feininger und sind längst Klassiker, an denen sich Generationen von Fotograf:innen orientiert haben. Das Bröhan-Museum in Berlin zeigt derzeit eine Ausstellung anlässlich des European Month Of Photography (EMOP), die sich auf Feiningers Fotografien aus den 1940er Jahren konzentriert.


Andreas Feininger (1906-1999), der älteste Sohn des Malers Lyonel Feininger, gilt als einer der einflussreichsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Seine New-York-Fotos sind aus Büchern und Zeitschriften bekannt, wirken auf mich aber auch deshalb vertraut, weil die Stadt eine Ikone der Moderne ist und ich selbst dort schon Fotos gemacht habe.

Weil die Bilder thematisch sehr gut gehängt sind, legt die Ausstellung einen analytischen Blick frei, mit dem Feininger seine Wahlheimat betrachtet hat – zumindest ist das der Eindruck, den ich in der Ausstellung gewinne.



Ein Schwerpunkt liegt auf dem New Yorker Stadtbild, bei Nacht, wie auf dem Plakat, das für die Ausstellung wirbt, und am Tage. Zu sehen sind nicht nur Wolkenkratzer, sondern auch gigantische Brücken, dichter Verkehr, Menschenmassen – Stadtlandschaften, großstädtisches Leben, urbane Mobilität. Einige Aufnahmen hat Feininger aus erhöhter Perspektive gemacht. Wenngleich die schiere Größe der Bauwerke beeindruckt, schafft es Feininger, sie so zu fotografieren, dass sie trotzdem nicht erdrückend wirken. Die Metropole ist keine düstere Metropolis, sie schüchtert nicht ein, sie leuchtet vielmehr.


In einem Raum hängen vier Aufnahmen der Hochbahn, zwei von oben aufgenommen – mit Bahnen auf den Gleisen – einmal bei Sonne, einmal bei Schnee. Zwei Aufnahmen zeigen die Hochbahn von unten.


An der gegenüberliegenden Wand hängt eine Reihe von Fotos, bei denen Feininger auch mit Teleobjektiv gearbeitet hat. In einigen Arbeiten dekonstruiert er die Skyline, wie in jener Aufnahme von Fährschiffen vor der Skyline mit tiefliegenden Wolken. Wie beim Titelmotiv so ist auch bei dieser Aufnahme die Nähe zu den Werken seines Vaters offensichtlich.


In einem weiteren Raum hängen Nachtaufnahmen, die die Leuchtreklamen des Broadways zeigen und die Außenansicht von Vergnügungslokalen. Aber auch ein Foto vom Strand in Coney Island ist zu sehen: Massen von Menschen, klein wie Ameisen.


Daneben und dazu im Kontrast sind Personen in den Straßen der Stadt zu sehen, wie sie zusammenstehen oder einfach aus ihren kleinen Läden blicken. Es ist ein intimer Blick auf die Menschen, die in dieser Stadt leben. Die das menschliche Maß übersteigende Größe der Stadt und das einfache Leben in den Straßen – alles hat (mindestens) zwei Seiten, scheinen diese Fotos zu sagen.


In den in der Ausstellung präsentierten Fotos zeigt sich Feininger als Meister der Perspektive und Komposition. Seine Werke auf das rein Formale zu reduzieren, wäre ungerecht. Feininger entwickelte einen eigenen Blick auf New York, der nicht sozialkritisch ist, sondern eher die Struktur der Stadt, ihre schiere Größe, ihre beeindruckende Wucht mit dem alltäglichen Leben in Beziehung setzt: Auch in einer solchen Stadt, so scheinen die Fotos zu zeigen, lebt man ganz normal. Dass sich Feininger für Architektur und Stadt interessiert, ist nicht verwunderlich, war er doch Architekt, bevor er sich der Fotografie zuwandte. 1939 siedelte er nach New York über. Die Aufnahmen aus den 1940er Jahren kann man insofern als Versuch der Annährung an seinen neuen Wohnort interpretieren.


Bei der Ausstellung kooperiert das Bröhan-Museum mit dem Zeppelin Museum Friedrichshafen, das einen Teil des Nachlasses von ca. 550 Bildern besitzt. In der Ausstellung sind etwa 90 Fotos zu sehen. Die Ausstellung muss mit relativ wenig Fläche auskommen. Das Titelbild und einige andere Fotos hängen im Flur, den man vom Treppenhaus betritt. Aus meiner Sicht ist das nicht der richtige Rahmen für die Fotos.

Die anderen Fotos hängen wesentlich besser und erzählen durch die Hängung eine eigene Geschichte. Eine Tafel im Flur führt grob in die Ausstellung ein, die Fotos selbst sind mit den Titeln in Deutsch/Englisch und dem Jahr der Aufnahme versehen.


Auf zahlreichen Fotos von Feininger ist der Einfluss der modernen Malerei sichtbar. Im Bröhan-Museum mit seinen Schwerpunkten Jugendstil, Art Déco und Funktionalismus wäre eine Kontextualisierung vorstellbar, in der Bilder und Objekte aus jener Zeit in die Ausstellung einbezogen werden. Auch ohne diese Bezüge handelt es sich um eine sehenswerte Fotoausstellung. Doch frage ich mich, wieso sie gerade an diesem Ort stattfindet.


Die Ausstellung „Andreas Feininger: New York in the Forties“ ist bis zum 28. Mai 2023 im Bröhan-Museum, Schlossstr. 1a, 14059 Berlin, zu sehen. Der Eintritt kostet 8 Euro, kein Katalog.

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