top of page
AutorenbildJoerg Nicht

Im Superlativ: Dubai


Sportwagen oder Diamanten? Auf der Dubai Design Week, die ich Ende Oktober mit einigen Instagrammern besuchte, hatte das Publikum die Wahl. Das Auto erregte nur mäßiges Interesse. Die ambitionierte Konstruktion aus Sechsecken und Kristallen (Hexatile) war hingegen ständig von Menschen umringt. Vielleicht lag das an all den Diamanten und Metallen, die im sich ständig ändernden Licht glitzerten und funkelten. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sich dieses Kunstwerk fotografisch auf die Umgebung beziehen lässt.

Das Hexalite von Zeinab Al Hashemi; im Hintergrund Burja Khalifa

Die beiden Designobjekte hätten unterschiedlicher nicht sein können. Der Sportwagen, der mit seinen kleinen, abgedunkelten Fenstern wie ein Solitär wirkte, der nichts mit seiner Umwelt zu tun hat. Mit ihm scheint man seine Individualität ausdrücken zu können – indem man sich hinter abgedunkelten Scheiben versteckt. Ganz anders die Sechseckkonstruktion: Die Gebäude des Dubai Design Districts und der fast 830 Meter hohe Wolkenkratzer Burj Khalifa ließen sich hierzu in Beziehung setzen. Noch wichtiger: Andere Besucher konnten durch die Sechsecke hindurch fotografiert werden. Die Künstlerin Zeinab Al Hashemi will ihr Kunstwerk verstanden wissen als Ausdruck der unzerstörbaren Verbindung zwischen Mensch und Umwelt.

Zwischen diesen beiden Polen bewegten sich mehrere Objekte und Installationen der Dubai Design Week: einerseits Stücke, die der eigenen Individualität Ausdruck verleihen, andererseits Werke, die (zukünftiges) Zusammenleben und soziale Beziehungen thematisieren. Alltägliches Design ist hier nicht Design, das man im Alltag benutzt, sondern aus Alltäglichem hervorgebrachtes Design. Sei es das eigene Schreiben von Schrift (Being Lettering) oder auch die Darbietung von Nomaden-Essen – eine Verbindung zum früheren Leben in der Wüste.

Nachtisch

Dubai liegt in der Wüste und am Meer. Der Wüstensand hängt in der Luft und setzt sich an den Fensterscheiben ab. Der Dubai Creek – ein natürlicher Meeresarm des Persischen Golfes – teilt die Stadt in zwei Hälften. Wie kam es dazu, dass sich Dubai so rasant entwickelt hat? Das ist die Frage, die mich die ganze Zeit beschäftigt. Dubais Erfolg beruhe auf fünf Säulen, erklärt uns der deutsche Architekt Richard Wagner, den wir auf einer Architekturtour durch die Stadt kennenlernen.

Das Öl lieferte lange Zeit die Grundlage für den Aufstieg. Heute spiele die Ölförderung allerdings keine dominante Rolle mehr. Es werde nicht mehr gefördert als etwa vor zwanzig Jahren.

Entscheidend sei der Ausbau des Hafens gewesen. Dadurch wurde Dubai zu einem der bedeutendsten Handelsstandorte der Welt. Richtig in Schwung gekommen sei die Entwicklung allerdings erst durch die beiden Golfkriege, durch die sich Handelsströme verlagert hätten. Dubai profitierte von der Unsicherheit in vielen Ländern der Region. Insbesondere Firmenrepräsentationen wurden verlagert.

Durch den Hafen und die Entwicklung im Golf kamen Arbeitskräfte ins Land, für die Immobilien gebaut werden mussten – spätestens als ihre Familien nachzogen. Um den Bedarf zu decken, mussten auch neue Wohnungen gebaut werden. Dieser Bauboom führte zum weiteren Zuzug von Arbeitskräften.

Parallel hierzu entwickelte sich Dubai auch zu einem bedeutenden Finanzplatz.

Zudem wurden Hotels gebaut, die nicht nur von Businessreisenden genutzt werden, sondern den Tourismus insgesamt entwickelten. Heute hat Dubai eine große Zahl an Luxushotels.

Dubai bei Nacht, reflektiert in der Fassade des Sofitel Dubai Downtown

Neue gigantische Projekte werden geplant: riesige Wolkenkratzer, Shoppingcenter und künstliche, im Meer aufgeschüttete Inseln mit Wohnhäusern. Je größer, höher, länger und breiter, desto besser. Man könnte meinen, es gebe einen internationalen Wettstreit darüber, den das kleine reiche Emirat Dubai gewinnen möchte. Ich frage, ob denn die Wohn- und Geschäftsflächen, die gebaut werden, schon vermietet oder verkauft sind. So genau lässt sich das nicht sagen. Besteht denn in der Wüste ein Bedarf nach all dem Wohnraum, der durch solche gigantischen Projekte geschaffen wird? Ja, solange die Weltbevölkerung wächst, bestehe Bedarf und werde Dubai weiterwachsen, sagt Richard Wagner.

Die Bedingung ist freilich, dass auch Arbeitskräfte benötigt werden. Sonst schafft man Wohnraum, den niemand bezahlen kann. Dass die Bauarbeiter, die in Bussen zu den Baustellen fahren, in den Beton-Glaspalästen wohnen werden, ist kaum anzunehmen. Vermutlich leben sie nicht einmal dauerhaft im Land.

Dass in dieser Stadt alles möglich sein soll, wird an einem Projekt besonders sichtbar: dem „höchsten Turm der Welt“. Den Titel trägt gegenwärtig Burj Khalifa, aber dieser Titel wird ihm vom Jeddah Tower in Saudi-Arabien [https://en.wikipedia.org/wiki/Jeddah_Tower] streitig gemacht. Mit dem „Tower at Dubai Creek Harbour“ soll der Titel dann wieder zurück nach Dubai geholt werden. 2020 soll dieser Turm fertig sein, wie ein provisorischer Pavillon mitten auf dem nur durch Straßen erschlossenen Gebiet verkündet. Nach der Finanzkrise hatte sich die wirtschaftliche Entwicklung in Dubai stark verlangsamt. Mittlerweile werden Projekte aber wieder in einem atemberaubenden Tempo umgesetzt.

Reflexion des O-14 Towers

Bei solchen Projekten stellt sich die Frage, wie Städte gestaltet werden sollen. Wie wollen wir leben? Auf der Design Week ließen sich einige Antworten finden. Der Architekt Santiago Calatrav sprach über neue Brücken und Stadtviertel im Kontext der Expo 2020. Auch der erste Unter-Wasser-Gebetsraum soll hier entstehen. Einigen Zuhörerinnen entlockte diese Ankündigung ein begeistertes „Wow!“. Aber wichtiger ist vielleicht, dass Calatrav auch Ideen hat, den öffentlichen Raum unter freiem Himmel attraktiver zu gestalten und zu beleben. Brücken, über die Menschen spazieren gehen, sollen hierzu beitragen – im von Straßen- und Schienenverkehr geprägten Dubai ist das bislang noch eine Seltenheit.

Eine Art Hauptstraße: Die Sheik Zayed Road

Das Areal um den Wolkenkratzer Burj Khalifa ist interessant, weil man sehen kann, wie Urbanität in Dubai organisiert ist: Ein See in der Farbe eines Swimmingpools, drumherum eine Promenade, auf der man spazieren kann. Einen weiteren Ring bilden hohe Wohn- und Geschäftshäuser und eine Shopping Mall. Umschlossen wird das Areal von mehrspurigen Straßen, die auf Fußgänger eher abschreckend wirken und dementsprechend selten überquert werden. Der Weg zur Metro führt durch einen umbauten, klimatisierten Gang, der auf Säulen steht. Wer nicht im Quartier wohnt, kommt mit der Metro oder gleich mit dem eigenen Auto, um hier zu spazieren. Als ich die Hitze spüre, wird mir klar, dass man bei 40 bis 45 Grad nicht unbedingt 10 Kilometer lange Fußmärsche unternimmt. Aber muss eine Stadt so geplant und gebaut werden, dass man den Weg zwischen zwei Vierteln nur auf mehrspurigen Highways mit dem Auto zurücklegen kann?

In Bur Dubai und Deira, den beiden Altstadtteilen Dubais, die am Creek liegen, sieht es ganz anders aus. Wie, das erfahrt Ihr im nächsten Blogpost, in dem ich einige Bilder von dort zeigen werde.

bottom of page