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Englands Nordosten: Nicht nur für Filmfans ein Highlight

  • Autorenbild: Joerg Nicht
    Joerg Nicht
  • 23. Juni
  • 7 Min. Lesezeit

Filmfans kennen Englands Nordosten vielleicht aus den Harry-Potter-Filmen oder aus Danny Boyles gerade angelaufenem „28 Years Later“. England- und Schottland-Touristen sagt vor allem Newcastle etwas wegen des großen Fährhafens. Die wenigsten Reisenden haben aber vermutlich dort Station gemacht oder gar die Region erkundet. Dabei ist der Nordosten Englands wunderschön und voller Geschichte.


Ich hatte die Gelegenheit, die Region kurz vor der Premiere von „28 Years Later“ zu erkunden. Die Gegend besteht bei weitem nicht nur aus Drehorten, aber eben auch. Ich besuche die wunderbare Insel Lindisfarne, die Welterbestätten Durham und Hadrian’s Wall, das Raby Castle und den High Force Waterfall. Wie ich Euch in diesem Text zeigen möchte, ist die Nordosten äußerst vielfältig und spannend.

 

Lindisfarne


Von Newcastle upon Tyne fahre ich eine gute Stunde Richtung Norden. Der Verkehr auf der A1 wird langsam weniger; der Weg zur Holy Island of Lindisfarne ist ausgeschildert. Eine kleine Straße führt direkt Richtung Küste. Bald erreiche ich den Straßenabschnitt, der bei Flut unter Wasser ist. Denn das ist das Besondere an der Insel: Sie ist nur während Ebbe zu erreichen. Das zeigt schon an, wie sehr Lindisfarne den Naturgewalten ausgesetzt ist. Und ein Auto kann gegen die Kraft der Gezeiten wenig ausrichten. Bildertafeln warnen davor, während der Flut die Straße zu benutzen. An vielen Stellen auf der Insel stehen auf den Warnschildern auch die Zeiten, wann an den einzelnen Tagen Ebbe ist, also wann man die Insel betreten und verlassen kann.

Lindisfarne mit Castle
Lindisfarne mit Castle

Lindisfarne ist nur 4 Quadratkilometer groß. Auf der Insel leben 160 Menschen und sehr viele Schafe. Beliebt ist der Ort bei Tagestouristen, für die es einige Hotels und Cafés gibt, sowie bei Zugvögeln, die dort rasten. Meinen Mietwagen stelle ich auf dem Parkplatz am Ortseingang ab.

In den Ort dürfen nur Einheimische mit dem Auto fahren
In den Ort dürfen nur Einheimische mit dem Auto fahren

Ein paar Minuten zu Fuß sind es bis zu dem Felsen, auf dem Lindisfarne Castle steht. Das Schloss hatte lange einen militärischen Zweck, bevor Edwin Lutyens es 1903 zu einem Privathaus umbauen ließ. Heute ist das Castle ein Museum. Seine Ausstattung und die Einrichtung sind noch so erhalten wie damals, wie alte Fotos in den Räumen zeigen.


Weiter geht’s für mich zur Lindisfarne Priory, einer wunderschönen Klosterruine. Nebenan befindet sich ein Museum, das von der langen Besiedlung der Insel und ihrer wechselvollen Geschichte erzählt: Schon im 7. Jahrhundert gründete der irische Mönch St. Aidan auf Holy Island ein Kloster. Im Jahr 793 überfielen Wikinger die Insel, plünderten und töten schließlich die Bewohner. Im 9. Jahrhundert wurde die Insel aufgegeben und schließlich im 11. Jahrhundert wieder besiedelt.


Die Ruhe und die karge Landschaft auf Lindisfarne gefallen mir sehr. Dass es nur etwas mehr als eine Stunde dauert, um sozusagen ans Ende der Welt zu gelangen, finde ich einigermaßen faszinierend. Gerne hätte ich noch mehr Schafe fotografiert, aber ich muss zurück aufs Festland, bevor die Flut kommt.

Viele Schafe weiden auf der Insel
Viele Schafe weiden auf der Insel

 

Durham Cathedral


Meine zweite Station in Englands Nordosten ist die Universitätsstadt Durham, etwa 30 Kilometer südlich von Newcastle gelegen. Durhams Altstadt wird malerisch gerahmt von dem Fluss Wear. Das dominierende Gebäude ist die Kathedrale, die viel größer ist als das benachbarte Castle, das heute die Durham University nutzt. Hier ist besonders auffällig, wie weltliche und geistliche Macht einst verteilt waren. Im Mittelalter seien Bischöfe junge Männer gewesen, die Kraft brauchten, um bei Bedarf zu kämpfen, erklärt mir der Führer mit einem verschmitzten Lächeln.

Vom Turm der Kathedrale hat man eine gute Aussicht auf die Stadt
Vom Turm der Kathedrale hat man eine gute Aussicht auf die Stadt

Die Kathedrale war früher von innen bemalt mit einem farbigen Blumenmuster. An einer Wand neben dem Eingang ist das noch zu sehen. Ich frage mich, wie eine komplett bunt ausgemalte Kirche dieser Größe auf Menschen früherer Zeiten gewirkt hat – zumal es damals viel weniger Bilder als heute gab. Der Wucht des Gebäudes kann auch ich mich nicht entziehen.


Mich wundert deshalb nicht, dass die Kathedrale und das angrenzende Kloster beliebte Drehorte sind, etwa für „Avengers: Endgame“ von 2019. Harry-Potter-Fans aufgepasst: Das Chapter House, das sich direkt neben dem Kreuzgang des Klosters befindet, ist das Klassenzimmer von Professor McGonagall, wie man es aus den ersten beiden Harry-Potter-Filmen kennt. Die von Dame Maggie Smith gespielte Figur hält dort ihre Transfigurations-Lektionen, in denen die Schüler versuchen, Tiere in Kelche zu verwandeln.


Chapter House - für Harry Potter-Fans ein Highlight
Chapter House - für Harry Potter-Fans ein Highlight

 

Raby Castle


Eine halbe Autostunde südlich von Durham liegt Raby Castle, das wohl am besten erhaltene Schloss in Nordengland. Das Schloss ist umgeben von einer Verteidigungsmauer. Ich beginne meinen Rundgang in Räumen, die die Geschichte des Baus erklären. Hier wird auch vom Leben der einfachen Menschen erzählt, die auf dem Schlossgelände arbeiteten – etwa von den Dienstboten, ihrer Kleidung und den Arbeitsbedingungen.

Weiter geht es durch repräsentative Räume, die Richtung Süden liegen. Von ihnen aus blickt man auf den Schlosspark, in dem Rehe weiden. Eine freundliche Mitarbeiterin weist mich darauf hin, wie schön sich die Sonne im kleinen See vor dem Schloss spiegelt. Sie liebt diesen Ort und ich kann es verstehen.

Raby Castle
Raby Castle

Zum Schloss gehören eine gut erhaltene Kapelle und eine große Küche, die bis 1954 täglich in Betrieb war. In den in Küchen-Blau gestrichenen Regalen stehen Töpfe, Kannen und Teller aus Kupfer. In der Mitte befindet sich eine Art Dunstabzugshaube, über die vermutlich die Küche entlüftet wurde. In Vitrinen sind Koch- und Haushaltsbücher aus dem 19. Jahrhundert ausgestellt. Für mich ist das der schönste und interessanteste Raum des Schlosses. Das liegt nicht nur daran, dass er so stilvoll eingerichtet ist, sondern auch daran, dass Kochen eines meiner Hobbies ist. In früheren Zeiten, als es darum ging, tagtäglich für ein ganzes Schloss zu kochen, muss die Arbeit in dieser Küche hart gewesen sein. Schon das Heizen, zu dem das Heranschaffen von Brennmaterial gehört, war schwere körperliche Arbeit. An Küchenmaschinen, wie wir sie heute benutzen, war nicht zu denken. Für den Abwasch gab es beheizbare Tröge. Angenehm und leicht stelle ich mir das nicht vor.

Schlossküche
Schlossküche

Ein weiteres Highlight von Raby Castle sind der Schlosspark und die Gartenanlage, zu der auch eine Pflanzenzucht gehört. Die Pflanzen kann man im Museumsshop erwerben. Schon allein Park und Garten lohnen einen Besuch.

Schlosspark
Schlosspark

High Force Waterfall


Wer nicht nur Landschaft sehen möchte, sondern Natur pur, für den lohnt sich ein Abstecher zum High Force Waterfall. 20 Meter tief fällt das Wasser. Einen solchen Wasserfall hätte ich an dieser Stelle nicht erwartet. Ich bin von Raby Castle, aus Richtung Osten, in dieses Tal gefahren, was selbst schon ein Erlebnis ist. Für die Fahrt sollte man sich Zeit nehmen und an der einen oder anderen Stelle anhalten, um die Landschaft zu genießen. Die Straße selbst führt durch verträumte Orte.

Blick ins Tal
Blick ins Tal

Der Parkplatz ist am High Force Hotel, wo man die Tickets für den Wasserfall kaufen kann. Das Hotel verfügt über kleine, sehr schöne Zimmer und ein sehr gutes Restaurant. Ich empfehle Fish & Chips, die mir ganz ausgezeichnet geschmeckt haben, sowie das English Breakfast, mit dem ich gestärkt für den Tag bin. Vom Hotel sind es etwa 600 Meter zum Wasserfall. Ein kleines Stativ und ein ND-Filter sind hilfreich, um die Bewegung des Wassers mit Langzeitbelichtung zu fotografieren. Einfacher geht es mit einem Smartphone, z. B. mit der Live-Funktion des iPhones.

High Force Waterfall
High Force Waterfall

 

Hadrian’s Wall


Eine Autostunde entfernt vom High Force Hotel liegt die letzte Station, von der ich Euch heute berichten möchte. Ich habe mir einen ganzen Nachmittag Zeit genommen und bin von Steel Rigg Car Park aus den Hadrianswall entlanggewandert. Diese Mauer hat der römische Kaiser Hadrian von 122 bis 128 n. Chr. erbauen lassen. Sie führt vom Osten in den Westen Englands und ist insgesamt mehr als 117,5 Kilometer lang. Der Hadrianswall sollte die Grenze des Römischen Reiches an dieser Stelle befestigen, diente aber nicht der Verteidigung. Ihr Zweck bestand vielmehr darin, den Verkehr zu kontrollieren und Handelsströme zu kanalisieren, um Zölle eintreiben zu können.


Der obere Weg direkt an der Mauer ist fast überall leicht begehbar. Von dort hat man eine spektakuläre Sicht auf die Landschaft. An einigen Stellen ist Trittsicherheit gefragt, denn es geht steiler bergauf und bergab. Ein paar Meter entfernt führt ein zweiter Weg entlang, der flacher ist und Soldatenweg genannt wird.

Auf dem Felsen verläuft die Mauer
Auf dem Felsen verläuft die Mauer

Heute ist der Hadrianswall eine einfache Steinmauer, wie man sie oft in England findet. Dass es aber nicht irgendeine Mauer ist, erkennt man daran, dass sie so verläuft, dass man von ihr einen sehr guten Überblick über die Umgebung hat. Heutzutage genießt man natürlich einfach die tolle Aussicht auf die Landschaft.

Hadrian's Wall
Hadrian's Wall

Nicht direkt am Hadrianswall, sondern etwa 5 Kilometer entfernt im Hinterland liegt Vindolanda, eine Ausgrabungsstätte mit Museum. Dort wurde in den 1970er Jahren eine Mauer wie zu Hadrians Zeiten errichtet. An dieser Mauer gewinnt man nicht nur einen besseren Eindruck von den Dimensionen des Baus. Interessant ist auch, wie lange diese Mauer im nordenglischen Klima hält, wenn man sie kaum oder gar nicht pflegt. Diese Frage stellen sich Forscher:innen, die herausfinden möchten, wie sich Hadrian’s Wall nach der Römerzeit entwickelt hat.


Im Museum von Vindolanda werden Ausgrabungsfunde ausgestellt. Besonders beeindruckend sind die gut erhaltenen Schuhe. Zudem sind Holztäfelchen ausgestellt, auf denen einst geschrieben wurde. Die Schrift ist auch noch zu erkennen. Neben den Ausgrabungsfunden wird im Museum auch der Ausgrabungsprozess dokumentiert. An der Ausgrabungsstätte Vindolanda sind selbst „nur“ Mauerreste zu sehen. Deshalb empfehle ich, zuerst ins Museum zu gehen und sich dann die Ausgrabungsstätte anzusehen. Dadurch haben sich mir die Reste der Siedlung gut erschlossen.


Übrigens: Am Hadrianswall wurden auch Teile von „28 Years Later“ gedreht. Also noch ein guter Grund, diese Mauer zu besuchen.

 

Und was ist nun mit Newcastle? Dem Zentrum der Region widme ich einen eigenen Beitrag. Nur so viel an dieser Stelle: Ich bin vom High Force Hotel über St John’s Chapel nach Newcastle gefahren. Die Strecke zwischen High Force und St John’s Chapel führt über einen Pass; links und rechts der Straße weiden unzählige Schafe und wahrscheinlich hat man gute Sicht, wenn nicht gerade dichter Nebel ist, wie an dem Vormittag, als ich dort entlang fuhr. Da die Schafe frei herumlaufen, sollte man vorsichtig fahren. Aber auch bei Nebel ist die Fahrt ein Erlebnis.

 

 

Anreise

Flughafen Newcastle International

-       Direktverbindung von Frankfurt am Main (Lufthansa) und Berlin ( Eurowings)

-       Zugverbindungen von London (ca. 3 Stunden)


Unterwegs

Ich war in einem Mietauto unterwegs. Radwege sind ausgeschildert, die hügelige Landschaft verlangt aber Kondition.

Mehrere Weitwanderwege führen durch die Region, u. a. den Hadrianswall entlang.


Disclaimer

Die Reise wurde voh Destination North East England gefördert. Es erfolgte keine inhaltlliche Einflussnahme auf den Text.








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